Salonwagen Salon 4ü-35b
Wagennummer: 10 203 Bln
Bereits im Jahr nach der Fertigstellung der ersten beiden durch die Deutsche Reichsbahn beschafften Salonwagen folgte mit dem
10 203 Bln das dritte Fahrzeug dieser Art. In seiner Konzeption wich er jedoch in einigen Details von den beiden
zuvor gelieferten Wagen ab, was sich unter anderem auch in der erstmalig verwendeten Länge von 23,5 m
äußerte - zuvor waren lediglich einige Schlaf- und Speisewagen der Mitropa mit dieser LüP anzutreffen.
Während sich dieser Umstand bei Salon und Vorsalon kaum bemerkbar macht, sind bei den sich anschließenden Abteilen
einige interessante Veränderungen auszumachen. So war der erste Schlafraum um gut 180 mm eingekürzt und zudem
mit einem einzelnen 1600 mm breiten Fenster versehen worden, gleichzeitig verlegte man den Kleiderschrank an die
Zwischenwand zum Abort, das Waschbecken entfiel wie auch im Schlafraum 2 dagegen ganz. Zwischen den beiden einbettigen
Schlafräumen befanden sich nun je ein WC mit und ohne Badewanne (sind in der genannten Reihenfolge den beiden Abteilen
zuzuordnen). Als direkte Folge dieser Lösung mußte man allerdings auf das dritte zweibettige Schlafabteil
verzichten, so daß nunmehr neben dem Wagenbegleiter nur noch vier Begleitpersonen im Wagen Platz fanden. Nebenbei konnte
so allerdings auch das Endabort deutlich geräumiger gestaltet werden.
Insbesondere in Bezug auf das Bad war der Realisierung jedoch ein Planungsprozeß vorausgegangen, bei dem verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten für die zu bauenden "Salonwagen 3 und 4" erörtert wurden (gemeint waren damit
10 203 Bln und 10 204 Bln). Neben dem ursprünglichen Entwurf ohne Badewanne oder Dusche wurden
verschiedene Anordnungen erörtert, so u. a. auch mit Badewanne für Waschraum 1 (nur 10 203 Bln) bzw.
beide Waschräume (mit Zwischengang zwischen den Abteilen 1 und 2, für beide Wagen) sowie mehrere Varianten zur
Unterbringung einer Dusche (teilweise nur für Waschraum 1, teilweise für beide).
Nach einer kurzen Notiz im Zusammenhang mit der Beschaffung von Reisezugwagen der Bauart Heidenau-Altenberg bei LHW ergaben sich
bei der Fertigung des 10 203 Bln mehrfach Verzögerungen, zum einen aufgrund der starken Auslastung von Linke
Hofmann mit ("vorrangigen") Auslandsaufträgen und zum anderen durch erst spät fertig gewordene
Entwürfe der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, die seinerzeit eine ganze Reihe von
Regierungsaufträgen zu bewältigen hatten. Aber auch der "nachträgliche Einbau" einer Badewanne soll
diverse Terminschwierigkeiten nach sich gezogen haben - diese Aussage bezieht sich eventuell auf die oben erwähnten
Entwürfe zum Einbau einer Badewanne oder Dusche, die erst im September 1935 zur Verfügung standen.
Konstruktion und Bau dieses Wagens oblagen wie beschrieben den Linke Hofmann Werken in Breslau, dessen Werkhallen er trotz der
verschiedentlichen Verzögerungen gegen Mitte Dezember 1935 verließ.
Verwendung und Umbauten bis 1945
Für die relativ kurze Einsatzzeit bis 1945 kann der 10 203 Bln auf eine recht bewegte Geschichte
zurückblicken. Direkt nach Lieferung löste er den 10 202 Bln als "Führerwagen" ab, stand
also für Hitler zur Verfügung. Diese Funktion erfüllte er jedoch nur etwa zwei Jahre lang, da im September 1937
mit dem 10 206 Bln ein neuer Salonwagen für Hitler zur Verfügung stand. Ab diesem Zeitpunkt wurde
der 10 203 Bln als "Reserve-Dienstwagen des Führers" geführt, was heißen soll, daß er
im Falle eines Ausfalls des 10 206 Bln (z. B. bei Revisionen) wieder für Hitler zum Einsatz kam, allerdings
konnte er je nach Lage auch für andere Minister zur Verfügung gestellt werden. In wie weit hingegen ein
Beschluß aus dem März 1937 umgesetzt wurde, den 10 203 Bln nach der Lieferung des 10 206 Bln dem
Verkehrsminister (zu dieser Zeit bereits Julius Dorpmüller) zuzuweisen, kann nicht gesagt werden, insgesamt erscheint es
aufgrund mehrerer Umstände eher als unwahrscheinlich.
Der Status als Reservewagen Hitlers dürfte nicht unwesentlich zur Entscheidung beigetragen haben, den Wagen im Jahr 1938
mit neuen Drehgestellen ausrüsten zu lassen, die zwar wieder der Bauart "Görlitz III schwer" entsprachen,
jetzt aber mit vierfacher Federung versehen waren. Ebenfalls 1938 erhielt der Wagen zudem im Raw Potsdam helle Zierlinien
gleich denen der "in diesem Jahr gelieferten Schnellzugwagen", auch erfolgte eine Weißung des Dachs. Mit recht
hoher Wahrscheinlichkeit war damit auch eine komplette Neulackierung des Wagenkastens in Flaschengrün verbunden. Ob
gleichzeitig auch die bei den 1937er Salonwagen üblichen Hoheitszeichen angebracht worden sind, ist jedoch nicht genau
bekannt (insofern ist die entsprechende Skizze mit angemessener Vorsicht zu betrachten).
Im darauffolgenden Jahr mußte sich der 10 203 Bln einem tiefgreifenden Umbau unterziehen lassen, bei dem
u. a. neue Kopfenden montiert wurden, um den Wagen äußerlich den Schürzenwagen anzugleichen. Bei gleicher
Gelegenheit erhielt er Schürzen unterhalb der Langträger, daneben wurde auch die Inneneinrichtung aufgefrischt.
Auch nach dieser Zeit erfüllte der 10 203 Bln seine Aufgabe als Reservewagen Hitlers, spätestens ab 1939
jedoch ebenfalls für Göring. Allerdings ist nicht bekannt, ob und ggf. wo der Wagen im Einsatz stand, wenn er nicht
als Ersatz herhalten mußte. Im Dezember 1939 wird vom OKH darum gebeten, den in ihrem Zug "Afrika"
laufenden 10 202 Bln gegen den 10 203 Bln austauschen zu lassen, was jedoch anfänglich vom RVM
abgelehnt wurde und erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein dürfte. Spätestens ab 1941 befand sich der
Wagen schließlich für Generalfeldmarschall Keitel (Chef des OKW!) in eben jenem Sonderzug. Im Jahr 1943 wurde der
10 203 Bln zudem vermutlich durch die Wehrmacht übernommen und fortan als Privatwagen bei der Deutschen
Reichsbahn eingestellt. Im Zuge des Eigentümerwechsels - so er tatsächlich erfolgt ist - erhielt er eine neue Nummer,
wobei die in diesem Zusammenhang auftauchende Nummer 918 253 [P] Bln nicht stimmen kann, da nach anderen
Quellen unter dieser Nummer seit cirka 1942/43 der Beratungswagen 10 253 Bln geführt wurde. An der Funktion des
(früheren) 10 203 Bln als Befehlswagen im Zug "Afrika" und als Ersatzwagen für Hitler
änderte sich freilich nichts.
Bei Kriegsende befand sich der Wagen dem Vernehmen nach in der US-Zone, wurde aber offensichtlich nicht von der US Army
beschlagnahmt (die Gründe hierfür sind nicht bekannt) und daraufhin irgendwann in den vierziger Jahren zum
Meßwagen 729 018 Mü hergerichtet.
Weiterführende Links
Übersichtsskizzen
Der Wagen 10 203 bei der Deutschen Bundesbahn
Quellenangaben
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Technische Daten
Herstellerwerk |
LHW Breslau |
Baujahr |
1935 |
Beschafft auf Vertrag |
03.966 / 26.366 |
Beschaffung neuer Drehgestelle auf Vertrag |
? / 26.012 |
Eigengewicht (vor Umbau 1939) |
53,8 t |
Eigengewicht (nach Umbau 1939) |
57,4 t (oder 55,2 t) |
Länge über Puffer |
23.500 mm |
Länge des Wagenkastens (ohne Schürzen) |
22.200 mm |
Drehzapfenabstand |
16.180 mm |
Größte Breite des Wagenkastens |
2.880 mm |
Wagenhöhe über Schienenoberkante |
3.931,5 mm |
Fußbodenhöhe über Schienenoberkante |
1.250 mm |
Drehgestellbauart (vor Drehgestelltausch 1938) |
Görlitz III schwer |
Drehgestellbauart (nach Drehgestelltausch 1938) |
Görlitz III schwer 4.Federung |
Drehgestellachsstand |
3.600 mm |
Generatorbauart (vor Umbau 1939) |
Generator mit Kettenradantrieb Dps |
Generatorbauart (nach Umbau 1939) |
Tatzlagergenerator ZOG 181 |
Bremsbauart |
Kksbr, Hnbr, Hardy-Leitung |
Heizungsbauart |
Whzde, Ofen |
Beleuchtung |
Elektrisch |
Schlußsignalhalter (vor Umbau 1939) |
Angesetzt |
Schlußsignalhalter (nach Umbau 1939) |
In Dachnischen verlegt |
Dachlüfter |
Einfache Wendlerlüfter |
? Stück |
Abteile |
Vorsalon |
1x |
Salon |
1x |
Abteile einbettig |
2x |
Mittelabort mit Badewanne |
1x |
Mittelabort ohne Badewanne |
1x |
Abteile zweibettig |
2x |
Wagenbegleiterraum |
1x |
Ofenraum |
1x |
Endabort |
1x |
Einstiegsraum |
1x |